Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Blick in den Lesesaal der Bibliothek im Juridicum. (Foto: Maike Glöckner)

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Tagungsbericht

Am letzten Dienstagabend, den 21.10.2014 hielt Herr Thomas Henze im Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einen interessanten Vortrag zu praktischen Einblicken in die Steuerverfahren des EuGH, an dem eine kleine Vertretung unseres Lehrstuhls teilnahm. Herr Henze ist Referatsleiter im Bundesministerium für Wirtschaft und Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in Steuerverfahren vor dem EuGH und stellte in seinem Vortrag die Verfahren vor dem EuGH aus der Sicht eines Prozessvertreters der Mitgliedstaaten vor.

Zunächst erläuterte er, dass die Prozessvertreter in Verfahren vor dem EuGH aus dem Bundeswirtschaftsministerium und nicht etwa aus dem Auswärtigen Amt oder dem BMJ entsandt werden. Dies habe seine Ursache in der Entstehungs­geschichte der EU als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft.

Die meisten Verfahren gelangten nach Henze durch Vorlagen der nationalen Gerichte vor den EuGH. Der BFH sei mit 10 Vorlageverfahren 2013 dabei der Spitzenreiter; das BVerwG belege bereits Platz 3. Demgegenüber seien Vertragsverletzungsverfahren in seinem Berufsalltag eher von untergeordneter Bedeutung.

Nach Aussagen Henzes beteiligte sich die Bundesregierung an 140 der 699 Klagen, die 2013 beim EuGH eingereicht wurden. Es gebe jedoch kein Ressortprinzip für die Bearbeitung der Verfahren. Vielmehr beschäftigten sich Herr Henze und seine gerade einmal vier Mitarbeiter mit allen Rechtsbereichen, also auch Verwaltungsrecht, Sozialrecht oder Arbeitsrecht. Lediglich in wenigen Ausnahmeverfahren, wie bspw. im europäischen Zivilprozessrecht oder einigen Verbraucherschutzverfahren, übernehme das BMJ die Prozessvertretung.

Nach diesen organisatorischen Einblicken erläuterte Herr Henze die Klagearten vor dem EuGH und den typischen Ablauf eines Vorabentscheidungsverfahrens, sowie den internen Ablauf der Vorbereitung solcher Verfahren innerhalb der Bundesregierung. Beispielsweise hätten die Mitgliedstaaten nach Zustellung eines Verfahrens zwei Monate Zeit für eine Stellungnahme. In der Bundes­regierung sei dies Aufgabe des jeweils für den Rechtsbereich zuständigen Ministeriums, wobei die übrigen Ministerien ein Vetorecht hätten.

Weitere praktische Einblicke gewährte Herr Henze, indem er zwei seiner aktuellen Verfahren erläuterte. Dabei wies er auch darauf hin, dass mündliche Verfahren nur auf Antrag durchgeführt werden, meist sehr kurz dauern und simultan übersetzt werden.

Schließlich sprach Herr Henze einen sehr interessanten Punkt an: Die Verteilung der einzelnen Verfahren innerhalb des EuGH bestimme der Präsident des Gerichts; Geschäftsverteilungspläne gebe es keine, ebenso wenig wie einen derart verstandenen Grundsatz des gesetzlichen Richters. Dies löste gerade bei den deutschen Hörern reichlich Verwunderung aus und bot für die anschließende Debatte intensiven Diskussionsstoff.

Nach Ende der Veranstaltung bestand die Möglichkeit zu fachlichen und persönlichen Gesprächen bei Getränken und Brezeln.

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